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Befangenheit Sachverständiger

Befangenheit des Sachverständigen


Die Befangenheit des Sachverständigen spielt in Gerichtsverfahren, in denen es auf die Einschätzung durch Sachverständige ankommt, immer eine große Rolle.

Rechtsgebiete sind teilweise nicht nur rechtlich hochkomplex, sondern stellen auch hohe Anforderungen an den fachspezifischen Sachverstand des Richters. Insbesondere Bauprozesse oder Arzthaftungsverfahren setzen die Kompetenz des Richters übersteigende fachspezifische Kenntnisse voraus. Bei der Beantwortung technisch komplexer Fragen wie etwa nach der Rechtmäßigkeit einer Bauabrissverfügung oder der Freihaltung der Abstandsflächen ist der Richter auf die fachspezifische Kenntnis Außenstehender angewiesen, um den vorgetragenen Sachverhalt vollumfänglich erfassen und juristisch einordnen zu können.

Nicht selten beruhen gerichtliche Entscheidungen daher auf den Ausführungen eines durch den Richter bestellten Sachverständigen. Die fachliche Kompetenz und Glaubwürdigkeit eines versierten Gutachters bildet das Fundament für die richterliche Überzeugungsbildung und ist daher für Ablauf und Entscheidung des gerichtlichen Prozesses von maßgeblicher Bedeutung.



Befangenheit des Sachverständigen kann den kompletten Prozess kosten

Ähnlich fatal wie der Verdacht der Befangenheit eines Richters wirkt sich ein entsprechender Verdacht hinsichtlich eines Sachverständigen aus. Der gerichtlich bestellte Sachverständige ist der Unabhängigkeit verpflichtet und hat das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen.

Probleme können sich dann ergeben, wenn dem Gutachter ausreichend Zeit und rechtliche Expertise fehlt, um sich in ausreichendem Maße mit der betroffenen Materie zu befassen. Insbesondere in hochspezialisierten Bereichen im Baurecht oder Medizinrecht ist Fachkunde nicht überall und in gleicher Weise möglich.

Zwar obliegt es nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) letztlich dem Richter, darüber zu befinden, ob er dem Gutachten folgt, eine inhaltliche Kontrolle des Gutachtens ist dennoch nur begrenzt möglich, werden Sachverständige schließlich gerade deshalb bemüht, um die Sachkunde des Richters in fachlich komplexen Sachverhalten zu ergänzen.

In baurechtlich determinierten Sachverhalten können sich Probleme insbesondere dann ergeben, wenn Sachverständiger und Prozesspartei(en) in Geschäftsbeziehung stehen. Stammt der Sachverständige aus dem Nahebereich der Gegenpartei lässt dies bereits prima facie an dessen Unparteilichkeit zweifeln.

Kontrolle der Sachverständigen durch die Prozessparteien

Im Sinne der Garantie eines fairen Verfahrens müssen den Prozessparteien Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, um bestehende Zweifel an der Unparteilichkeit des gerichtlich bestellten Sachverständigen auszuräumen oder zu belegen.

Die §§ 402, 397 ZPO ermöglichen es den Parteien, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen oder bei Einsatz eines Anwaltes unmittelbar zu stellen, die sie zur Aufklärung der Sache für dienlich erachten. Gutachterliche Unstimmigkeiten können somit sichtbarer gemacht werden. Der Richter kann hierauf durch Nichtbeachtung des Gutachtens in seinem Urteilsspruch reagieren. Überdies wird den Prozessparteien das Recht eingeräumt, ihrerseits ein privates Gegengutachten zu stellen, um mögliche Mängel des gerichtlichen Gutachtens aufzuzeigen. Ist der Richter erstinstanzlich bereits zu einer gerichtlichen Entscheidung gelangt, können im Rahmen der Berufung und Revision mögliche Ermessensfehler und Beweiswürdigungsschwächen geltend gemacht werden.

Der Befangenheitsantrag

Von besonderer Bedeutung ist der Befangenheitsantrag gem. § 406 Abs. 1 ZPO. Durch diesen können die Prozessparteien wegen der Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung des Sachverständigen erreichen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Neutralität bestehen. Hierzu müssen die Parteien Tatsachen oder Umstände vortragen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (OLG Frankfurt, 17.1.2016 – 8 W 68/16).

Ob ein Sachverständiger wegen der Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt wird, steht im Ermessen des Gerichts. Ein schematisches Vorgehen verbietet sich in jedem Fall. Eher selten ist der von einer Prozesspartei gestellte Befangenheitsantrag von Erfolg gekrönt. Die Hürden für einen erfolgreichen Antrag sind recht hoch.

In der Rspr. finden sich dennoch einige Entscheidungen, die als Leitlinie dienen und auf die im Einzelfall rekurriert werden kann.

Beispiele für eine erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit


Verwendung von Formulierungen, die ein subjektives Misstrauen einer Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen können, ohne dass es inhaltlicher Fehler bedarf (OLG Nürnberg, 08.09.2011, 8 U 2204/08)

Kurzes Tippen des Fingers an eigene Schläfe durch den Sachverständigen als Reaktion auf die Ausführungen des Klägervertreters (OLG Stuttgart, 30.07.2014, 8 W 388/13)


Wahrnehmung eines einseitigen Ortstermins durch den Sachverständigen ohne dass der Gegenseite Zutritt gewährt wird (OLG Saarbrücken 08.07.2013, 5 W 64/13) oder dass diese eingeladen wird.


Befangenheit eines Sachverständigen, der Chefarzt in einem akademischen Lehrkrankenhaus einer der Prozessparteien ist, da die Gefahr von Interessenkollision und Rücksichtnahmen nicht ausgeschlossen werden kann (OLG Stuttgart 22.10.2007, 1 W 51/07)


Einseitiger parteibezogener Internetauftritt eines Sachverständigen auf dessen Homepage (OLG Koblenz 24.01.2013, 4 W 645/12)

„Haus- und Hofgutachter“ der anderen Partei oder dessen Versicherung, der mit der Sache zwar nicht vorbefasst war, kann jedoch wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit von seinem Auftraggeber abgelehnt werden (BGH, Beschl. v. 23.10.2012 – X ZR 137/09)

Beispiele für eine erfolglose Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit


Bestehen beruflicher Kontakte zwischen dem Sachverständigen und der Partei eines Rechtsstreits sowie Teilnahme beider u.a. an Kongressen als Experten in ihrem Fachgebiet (OLG München 08.11.2010, 1 W 2337/10)

Ausräumen der zunächst begründeten Besorgnis der Befangenheit durch entsprechende Erläuterung, Klarstellung oder Entschuldigung des Sachverständigen (OLG Frankfurt a.M. 17.11.2016, 8 W 68/16)


Begutachtung des Prozessgegners oder andere Unfallversicherungsträger im Vorprozess oder in anderen Verwaltungsverfahren durch den Sachverständigen (OLG Celle 18.01.2002, 14 W 45/01)


Unterlassen einer ambulanten Untersuchung trotz gerichtlicher Anordnung (LSG Rheinland-Pfalz, 21.08.2007, L 2 B 169/07 U)

Empörung oder nachvollziehbare Emotionen eines Sachverständigen als Reaktion auf gänzlich unsubstantiierte, polemische oder gar beleidigende Angriffe gegen seine Person und/oder Arbeitsweise (AG Backnang, 14.02.2014, 2 Ls 113 Js 112185/12)

Ein Mangel an Sachkunde, Lücken, Unzulänglichkeiten oder Fehler im Gutachten rechtfertig für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (OLG München, Beschluss vom 18.08.2020 – 20 W 1121/20; OLG Brandenburg, IBR 2014, 242


Rechtzeitiges Vortragen der Ablehnungsgründe

Zieht eine der Prozessparteien einen Befangenheitsantrag in Erwägung, ist mit Blick auf die gem. § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO knapp bemessene Rügefrist Eile geboten. Nach Ablauf von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen ist der Ablehnungsantrag nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen, vgl. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO.

Ein nachträglicher Ablehnungsantrag ist unverzüglich nach Kenntniserlangung vom Ablehnungsgrund (wenn sich dieser zum Beispiel aus dem Ortstermin oder Gutachten selbst ergibt) zu stellen.


Fazit

Die Befangenheit der Sachverständigen spielt in der anwaltlichen Praxis gerade im Baurecht eine große Rolle. Sehr häufig gewinnt oder verliert man einen Prozess nur auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens. Auch wenn das Gutachterwesen nicht unberechtigt in die Kritik geraten ist, so sind die fachspezifischen (Er-)Kenntnisse der Sachverständigen im Prozess unverzichtbar. Es sollte viel daran gelegen sein, von Externen in den Prozess eingeführte Erkenntnisse einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen, um sicherzustellen, dass die organisatorische Aufteilung zwischen Richter und Sachverständigen nicht zulasten der Prozessparteien geht.

Auch wenn die Funktion des Sachverständigen in erster Linie als Helfer des Gerichts zu begreifen ist, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ihm in der gerichtlichen Entscheidungsfindung gerade in Bauprozessen eine herausragende Bedeutung zukommt. Seine unabhängige Stellung muss daher unter jedem Gesichtspunkt gewahrt bleiben. Ist sie das nicht, so muss der Sachverständige wegen Befangenheit abgelehnt werden.

Für Fragen und Einzelheiten im Baurecht im Zusammenhang mit Sachverständigengutachten, Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit o.ä. stehe ich Ihnen jederzeit gern zur Verfügung.

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler

Dieser Beitrag dient allgemeiner Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und erfolgt ohne Gewähr. Eine individuelle Beratung des konkreten Einzelfalles wird dadurch nicht ersetzt. Für den Inhalt wird keine Haftung übernommen. Alle Rechte bleiben vorbehalten.