Nachbar begehrt Abwehr eines Bauvorhabens wegen erdrückender Wirkung

von | 6. Juli 2018 | öffentliches Baurecht

Der erste Bagger rollt an und beginnt damit, die Baugrube auszuheben. Bislang hatte der Nachbar eine tolle Aussicht, da das benachbarte Grundstück reines Bauland war. Spätestens jetzt besteht für viele Nachbarn die Sorge, er könnte seine Aussicht verlieren und der benachbarte Bauherr könnte dann ungehinderten Einblick auf das Grundstück des Nachbarn erlangen, was nicht gewollt ist.

Verhinderung des Bauvorhabens durch den Nachbar nur bei Verletzung nachbarschützender Normen

Für die rechtliche Abwehr von Bauvorhaben des Nachbarn ist es entscheidend, dass durch das Vorhaben auch nachbarschützende Rechte verletzt werden. Häufig wird in diesem Zusammenhang auch von Drittschutz gesprochen. Dass gegebenenfalls andere – nicht nachbarschützende – Rechte verletzt werden, führt demgegenüber nicht zu Abwehransprüchen eines Nachbarn. Dass ein Nachbarvorhaben als störend empfunden wird, ohne dass Nachbarrechte verletzt werden, kann das Bauvorhaben nicht verhindern. Es ist insofern stets zu prüfen, ob nachbar- bzw. drittschützende Normen durch das Nachbarvorhaben verletzt werden.

Verletzung des drittschützenden Rücksichtnahmegebotes

Zum Einen kann sich eine Verletzung von nachbarschützenden Normen ergeben, wenn das Rücksichtnahmegebot verletzt wird. Das z.B. im Begriff des „Einfügens“ gem. § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme gibt einem Nachbarn jedoch nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung gegen des Rücksichtsnahmegebot kann vielmehr erst dann bejaht werden, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht, wie dies beispielsweise bei einer erdrückenden, abriegelnden, erschlagenden oder einmauernden Wirkung in Betracht kommt. Ob dies der Fall ist, ist im Wege einer Gesamtschau, die den konkreten Einzelfall in den Blick nimmt, zu ermitteln.

Im Rahmen von Nachbarrechtsbehelfen wird sodann häufig eine vermeintlich erdrückende Wirkung des Bauvorhabens ins Feld geführt. 

Wann is ein Bauvorhaben „erdrückend“ bzw. „einmauernd“ und damit rücksichtslos?

Nachbarliche Belange können in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ wird. Dies ist anzunehmen, wenn die bauliche Dimension des „erdrückenden Gebäudes“ aufgrund der besonderheiten im Einzelfall äußerst übermächtig sind. Wenn das Nachbargrundstück also regelrecht abgeriegelt wird, d. h. dort das geführt des Eingemauertseins oder der Gefängnishofsituation hervorgerufen wird, kann man von rücksichtsloser Bebauung sprechen. Dem Grundstück muss also förmlich die Luft zum Atmen genommen werden, in dem die Belichtung, Belüftung und Besonnung des Grundstückes nicht mehr gewährleistet ist (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 15.12.2017 – 2 B 58/17). 

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen hat mit Beschluss vom 07.08.2017 ( Az. 1 B 143/17) entschieden, dass ein Vorhaben dann erdrückende bzw. einmauernde Wirkung gegenüber der Nachbarbebauung ausübt, wenn es in Höhe und Volumen ein Übermaß besitzt und auch nicht annähernd den vorhandenen Gebäuden gleichartig ist. Eine erdrückende Wirkung wird nicht angenommen, wenn der Baukörper des Nachbarvorhabens nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes. 

Regelmäßig bestehen für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit wegen erdrückender, einmauernder, abriegelnder oder erschlagender Wirkung hohe Anforderungen, die lediglich in gravierenden Ausnahmefällen erfüllt sind. Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück (in Gärten, Terrassen, Balkone, Fenster) sind in bebauten innerörtlichen Bereichen regelmäßig nicht zu vermeiden und müssen daher vom Nachbar hingenommen werden.

Fazit

In den allermeisten Fällen scheitert die Berufung auf eine erdrückende Wirkung des Nachbarvorhabens. Es handelt sich hierbei um einen Einwand, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig auf krasse Ausnahmefälle beschränkt ist (z.B. ein 12 – geschossiges Hochhaus in 15 m Abstand zu einem 2,5-geschossigen Gebäude). Nachbarn können nicht erwarten, das das benachbarte Grundstück nicht bzw. nur so bebaut wird, dass die Möglichkeit des Einblickes ausgeschlossen ist.

Ich prüfe gern für Sie, ob das benachbarte Vorhaben Ihre Rechte verletzt und ein Rechtsbehelf (Widerspruch oder Klage) Aussicht auf Erfolg verspricht. Beachten Sie die in diesem Zusammenhang die starren Fristen des Verwaltungsrechts, nach deren Ablauf der verspätet eingelegte Rechtsbehelf unzulässig ist. Daher sollten Sie sich frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Ich bin Rechtsanwalt für Baurecht und Verwaltungsrecht in Leipzig, weshalb Sachverhalte aus dem öffentlichen Baurecht teilweise die Schnittstelle zwischen beiden Rechtsgebieten bildet. Durch meine Expertise in beiden Gebieten, kann ich Ihnen umfassende und kompetente Rechtsberatung bei Nachbarstreitigkeiten anbieten.

Nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu mir auf. 

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler

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