Solaranlagen dürfen den Nachbarn nicht blenden!

von | 19. Juli 2018 | öffentliches Baurecht

In den letzten Jahren erlebte die Industrie von Solaranlagen bzw. Photovoltaikanlagen geradezu einen Höhenflug. Investoren und finanziell gut aufgestellte Privatpersonen investierten in die viereckigen Zellen auf dem Dach, die Sonnenenergie in Strom umwandeln. Den dadurch gewonnenen Strom kann man dann gewinnbringend verkaufen oder selbst nutzen. Dieser Boom in der Photovoltaik-Branche führte dazu, dass man jede Menge solcher Solaranlagen auf Deutschlands Dächern in Städten und auf dem Land errichtete. Aufgrund der Vielzahl der errichteten Photovoltaikanlagen auf Dächern kam es zunehmend zu Streitigkeiten zwischen Nachbarn. Insbesondere wenn man die Solarmodule auf dem Dach dergestalt montierte, dass sie Sonnenlicht reflektieren und damit den Nachbarn blenden, ist Streit vorprogrammiert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Nachbar in einem solchen Fall Unterlassung oder gar Beseitigung verlangen kann.

Wann kann der Nachbar die Unterlassung / Beseitigung verlangen?

Nicht jeder Nachbar muss die reflektierte und damit erhöhte Sonneneinstrahlung hinnehmen. Ein Unterlassungsanspruch bzw. Beseitigungsanspruch besteht immer dann, wenn von der Photovoltaikanlage nicht nur unwesentliche Beeinträchtigungen ausgehen und diese vom Nachbar nicht hingenommen bzw. geduldet werden müssen. 

Wann muss der Nachbar die Blendwirkungen von Solaranlagen dulden?

Ob der Nachbar die Reflexion der Sonnenstrahlen dulden muss, hängt zunächst im Wesentlichen davon ab, wie oft (am Tag, in der Woche, im Jahr) die Reflexion auftritt und wie stark diese ist. Auch ist von Relevanz, welcher Bereich von der Sonnenreflexion betroffen ist. Schließlich spielt auch die Ortsüblichkeit eine wesentliche Rolle

Häufigkeit der Reflexion von Solaranlagen

Die Strahlung und damit der Winkel der reflektierten Sonnenstrahlung ändert sich durch den jahreszeitabhängigen Sonnenstand. Damit einhergehend ändert sich auch die Häufigkeit der Reflexion der Sonnenstrahlung auf dem Nachbargrundstück. Einige Verwaltungsgerichte sind daher der Auffassung, es ist dem Nachbar zumutbar, eigene Vorkehrungen (Markisen, Jalousinen, Vorhänge und ähnliche Sonnenschutzvorrichtungen) zu treffen, um sich vor der erhöhten Sonneneinstrahlung zu schützen.

Wenn eine solche Selbsthilfe nicht zumutbar oder nicht möglich ist, kann für eine wesentliche Beeinträchtigung bereits 30-60 Min. pro Tag über einen längeren Zeitraum (mindestens 30 Stunden pro Jahr) ausreichen. 

Intensität der Reflexion von Solaranlagen

Neben der Häufigkeit der Reflexion ist auch die Intensität der Reflexion von Solaranlagen entscheidend. Hinsichtlich der Intensität stellen die Verwaltungsgerichte auf eine Durchschnittsbürger ab. Persönliche Belange oder Empfindungen sind nicht maßgeblich. Kommt es durch die reflektierte Sonneneinstrahlung zu einer physiologischen Beeinträchtigung des Sehvermägens des Nachbarn (z. B. durch Nachwirkungen auf der Netzhaut), kann dies eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen, die u.U. zu einem Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung führt. Auch psychologische Beeinträchtigungen können im Einzelfall wesentlich sein. 

von der Reflexion betroffener Bereich

Daneben ist entscheidend, welcher Bereich des Nachbarhauses von der Sonnenreflexion betroffen  ist. Es macht in diesem Zusammenhang einen Unterschied, ob nur kurzzeitig am Tag genutzte Räume, wie z. B. Bad oder Schlafzimmer, oder Räumen, in denen man sich für gewöhnlich länger aufhält (Wohnzimmer, Terasse, Wintergarten, Küche), mit erhöhter Sonneneinstrahlung angestrahlt werden.

Ortsüblichkeit

Hingenommen werden müssen zudem solche Blendwirkungen dann, wenn sie aufgrund der Besonderheiten eines Wohngebietes als ortsüblich zu betrachten ist.  Handelt es sich in der Umgebung um die einzige Anlage und gibt es in der umliegenden Bebauung keine vergleichsweise betroffenen Grundstücke, so spricht viel dafür, dass die Ortsüblichkeit zu verneinen ist. Im Übrigen müssen Betreiber der Solaranlagen die Ortsüblichkeit im Streitfall beweisen.

Was kann ein betroffener Nachbar verlangen?

Beeinträchtigt die Photovoltaikanlage durch reflektierende Sonnenstrahlung den Nachbarn wesentlich, so kann dieser grundsätzlich Unterlassung oder Beseitigung verlangen. Fordert er die Beseitigung, so muss der Eigentümer des Grundstückes (auf dem die Anlage errichtet ist) die Solaranlage demontieren und beseitigen. Demgegenüber kann der Nachbar im Rahmen seines Unterlassungsanspruches auch „nur“ verlangen, dass die Photovoltaikanlage durch geeignete Maßnahmen so abgeändert wird, dass die von der Solaranlage ausgehenden Blendwirkungen beseitigt werden.

Fazit

Ein Grundstückseigentümer muss Blendwirkungen von reflektierenden Photovoltaikanlagen bzw. Solaranlagen grundsätzlich nicht hinnehmen, es sei denn das Blenden ist ihm zumutbar. Vielmehr kann er Unterlassung bzw. Beseitigung verlangen. Allerdings wird die Entscheidung, ob das Blenden vom Nachbar noch hingenommen werden muss, von den Gerichten immer im Einzelfall getroffen. Es wird gerichtlich überprüft, ob die Schwelle der nur unwesentlichen Beeinträchtigung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsmenschen deutlich überschritten wird.

Ob in Ihrem Fall die Möglichkeit besteht, den Nachbarn auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch zu nehmen, prüfe ich gern für Sie. Nehmen Sie frühzeitig Kontakt zu mir auf, damit ich die entsprechenden Schritte für Sie einleiten kann.

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler

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