Die Mindestsätze und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) begrenzen die Möglichkeiten der Parteien für eine Pauschalvereinbarung. Schließen der Architekt und Bauherr eine mündliche oder schriftliche Vereinbarung, dass für die geplante Leistung ein bestimmtes Honorar pauschal zu zahlen ist, die unter den Mindestsätzen liegt, dann ist die Vereinbarung oftmals unwirksam. Vielen ist unbekannt, dass ein Architekt oder Ingenieur kein Honorar unter den Mindestsätzen verlangen kann. Es gibt nur wenige Umstände, die eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI rechtfertigen. Selbst wenn der Architekt und Bauherr beide von der Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung ausgehen, ist es nach aktueller Rechtsprechung nicht treuwidrig, wenn Architekt oder Ingenieur dann nach den Mindestsätzen abrechnet. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Rechtslage bei Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI.
Abrechnung nach der HOAI
Zunächst geben ich Ihnen einen groben Überblick über die Abrechnung eines Architekten nach der HOAI. Die HOAI schreibt vor, dass sich das Honorar für Grundleistungen innerhalb der in der HOAI festgesetzten Mindestsätze und Höchstsätze liegen muss. Die HOAI zwingt die Vertragsparteien daher bei Grundleistungen zu einer Honorarvereinbarung innerhalb dieser Honorarsätze. Demgegenüber sind Honorare für Beratungsleistungen und für besondere Leistungen frei vereinbar.
Der Zwang zur Vereinbarung eines Honorars zwischen den Mindest- und Höchstsätzen darf man jedoch nicht missverstehen. Die HOAI zwingt die Vertragsparteien nicht dazu, die dort genannten Honorarparameter zu verwenden. Es steht den Parteien also frei, das Honorar unabhängig von den Leistungsbildern, Honorarzonen oder anrechenbaren Kosten zu vereinbaren. Die HOAI lässt es ohne Weiteres zu, auch jede denkbare andere Form der Honorierung zu vereinbaren. Sie darf nur schlichtweg die entsprechenden Mindestsätze nicht unterschreiten. Es steht den Parteien etwa frei, alle Grundleistungen nach tatsächlichem Zeitaufwand zu vergüten. Auch spricht nichts dagegen, wenn etwa ein Bauträger mit einem Architekt vereinbart, dass sich das Honorar nach der Wohnfläche richtet. Die HOAI regelt also nicht das „wie“ der Honorarvereinbarung. Sie regelt lediglich, dass das im Ergebnis vereinbarte und zu zahlende Honorar innerhalb der Mindest- und Höchstsätze liegen muss.
Pauschalvereinbarung unterschreitet Mindestsätze
In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Architekt mit dem Bauherren eine Pauschalvereinbarung schließt, die lukrativ wirkt. Es gibt regelmäßig Urteile zu Honorarnachforderungen der Architekten und Ingenieure, weil die ursprünglich vereinbarte Vergütung die Mindestsätze unterschreitet. Um ein vom Vertrag abweichendes Mindestsatzhonorar durchzusetzen, müssen Architekten eine hohe Hürde überwinden. Sie müssen einen Gesamtvergleich vornehmen.
Honorar bei unwirksamer Pauschalvereinbarung
Es gibt einige Gründe, weshalb eine Honorarvereinbarung mit einem Architekt unwirksam sein kann. Eine wirksame Honorarverinbarung muss bei Auftragserteilung und nicht nachträglich geschlossen werden. Zudem darf das vereinbarte Honorar die Mindestsätze der HOAI nicht unterschreiten. Ferner muss eine solche Vereinbarung schriftlich geschlossen werden.
Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI
Nur in Ausnahmefällen und unter strengen Voraussetzungen darf der Mindessatz unterschritten werden. Ein die Unterschreitung rechtfertigender Umstand kann darin liegen, dass die vom Architekt geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert. Ein Ausnahmefall kann ferner bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art oder sonstigen Umständen gegeben sein.
Treuwidrigkeit der Abrechnung der Mindestsätze der HOAI
Ein Architekt kann Honorar nach den Mindestsätzen der HOAI abrechnen, wenn eine abgeschlossene Pauschalvereinbarung (form-)unwirksam ist und beide Seiten dieser Umstand nicht bekannt war. Der Architekt handelt nach aktueller Rechtsprechung nicht treuwidrig, wenn er sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung beruft und stattdessen auf Basis der Mindestsätze abrechnet.
Immer wieder unternehmen Bauherren den Versuch, sich der Zahlung der Mindestsatzhonorare zu entziehen. Häufig wird hier das Argument der Treuwidrigkeit gebracht. Nach der Rechtsprechung müssen hierfür etliche Kriterien erfüllt sein. Der Architekt muss sich insbesondere widersprüchlich verhalten und der Auftraggeber muss auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung vertraut haben und dieses Vertrauen muss schützwürdig sein. Wenn aber sowohl beide Parteien als auch deren Rechtsanwälte übersehen, dass die Honorarvereinbarung unwirksam ist, so besteht kein schutzwürdiges Vertrauen. Der Bauherr vertraut insofern nicht darauf, dass der Architekt nicht nach den Mindestsätzen abrechnen wird.
Entscheidung des EuGH vom 04.07.2019
Die Geltung der HOAI stand bis vor Kurzem auf dem Prüfstand. Es war ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig. Der Generalanwalt hatte im Schlussantrag ausführlich begründet, dass die HOAI gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH bestätigt das in seinem Urteil vom 04.07.2019 (Rechtssache C-377/17). Die HOAI wurde für unwirksam erklärt, da Sie eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit darstellt. Die HOAI hindere neue Dienstleistungserbringer aus anderen Mitgliedsstaaten am Marktzugang, weil es diesen unmöglich gemacht würde, diesen Zugang durch freie Preisgestaltung zu ermöglichen. Die Mindest- und Höchstsätze sind damit europarechtswidrig.
Der deutsche Gesetzgeber muss nun handeln. Denkbar wäre, dass man aus den Mindest- und Höchstsätzen nunmehr Preisspannen ermittelt, die dann für Planungsleistungen standardmäßig gelten sollen. Diese wären dann jedoch nicht verbindlich und beide Vertragspartner können vereinbaren, dass sie davon abweichen. Zudem ist denkbar, dass man eine Angemessenheitsschwelle als Klausel formuliert, die extreme Abweichungen nach unten, also Dumpingpreise, verhindert. Nichtsdestotrotz könnten große Planungsbüros nunmehr versuchen, kleine Mitbewerber aus dem Markt zu drängen, indem sie ihre Leistungen stark vergünstigt anbieten. Es bleibt daher abzuwarten, was sich der Gesetzgeber einfallen lässt.
Fazit
Bevor der Bauherr mit dem Architekt oder Bauingenieur eine Honorarvereinbarung schließt, ist guter Rat teuer. Denn wenn diese Vereinbarung die Mindestsätze unterschreitet, kann der Architekt eine höhere Vergütung verlangen. Es ist nicht treuwidrig, wenn der Architekt sich nicht mehr an die Vereinbarung hält und die Mindestsätze abrechnet. Insofern sollte man sich vor Vertragschluss mit einem Architkten oder Ingenieur zwingend rechtlicher Rat einholen.
Im Übrigen sollten Sie immer auf einem Vertrag beharren. Schließt man keinen Vertrag, um Umsatzsteuer o.ä zu sparen, ist der Vertrag nichtig. Zwar kann der Architekt sein Honorar dann nicht durchsetzen. Allersdings haben Sie auch keine Gewährleistungsrechte und können den Architekten bei Mängel nicht in die Haftung nehmen.
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Ihr Rechtsanwalt Erler
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