Verjährung des Erfüllungsanspruches im Baurecht

von | 12. März 2023 | privates Baurecht

Die Verjährung des Erfüllungsanspruches ist in der anwaltlichen Praxis im Baurecht regelmäßig ein Thema. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 stellte der BGH fest, die Verjährungsfrist für Ansprüche wegen mangelhafter Werkleistungen bestimme sich nach § 638 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und beginne grundsätzlich erst mit der Abnahme i.S.d. § 640 BGB (BGH, Urt. v. 24.02.2011 – VII ZR 61/10, NJW 2011, 1224). Bislang blieb für das neue Schuldrecht offen, ob ein Erfüllungsanspruch vor dem Nacherfüllungsanspruch verjähren kann sowie, ob auch hinsichtlich einer in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vertragsstrafe von einem Gleichauf der Verjährung auszugehen ist. Der Beitrag beleuchtet das Urteil des OLG Rostock (Urt. v. 02.02.2021 – 4 U 70/19) zur Verjährung des Erfüllungsanspruches vor der Abnahme.

Der Fall betr. die Verjährung des Erfüllungsrechts

Ein Bauunternehmer verpflichtete sich mit Bauvertrag vom 30. Januar 2008 zur Erstellung eines Einfamilienhauses und vereinbarte mit dem Bauherrn eine Bauzeit von drei Monaten sowie eine Vertragsstrafe im Falle einer von dem Bauunternehmer verschuldeten Überschreitung der Bauzeit. Nachdem im Juni 2008 mit den Bauarbeiten begonnen wurde, kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Unternehmerleistungen. Infolge ausgebliebener Abschlagszahlungen stellte der Bauunternehmer seine Arbeiten ein. Der Bauherr setzte erfolglos eine Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten und zur mangelfreien Fertigstellung der Arbeiten und kündigte zugleich an, dem Bauunternehmer bei fruchtlosem Fristablauf den Auftrag zu entziehen und ein anderes Unternehmen zu beauftragen. In einem anderweitigen Prozess machte der Bauunternehmer die offenen Abschlagsrechnungen geltend. Das zuständige Gericht wies die Klage des Bauunternehmers mit der Begründung ab, seine Leistungen seien in erheblicher Weise mangelhaft. Am 28. März 2013 (also über 5 Jahre nach Abschluss Bauvertrag) trat der Bauherr vom Vertrag zurück und zog nach einem Teilabriss und der Neuherstellung der betroffenen Gebäudeteile am 19. Juni 2015 in das Haus ein. Im Jahre 2017 machte der Bauherr die Rückzahlung einer Überzahlung, Schadensersatz sowie die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend und beantragte, den Bauunternehmer in Höhe von 166.356,73 Euro zur Zahlung zu verurteilen. 

Das Urteil des Landgerichts Rostock zur Verjährung des Erfüllungsanspruches

Das Landgericht widmete sich insbesondere der Frage nach der Verjährung der Anspruchspositionen des Bauherrn. Gem. § 634a Abs. 1 BGB besteht für Baumängel grundsätzlich eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die gem. § 634a Abs. 2 BGB mit der Abnahme des Bauwerks im Sinne des § 640 BGB durch den Bauunternehmer beginnt. Gem. § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre und beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Während der Bauunternehmer der Auffassung war, die Ansprüche seien innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist bereits verjährt, wendete der Bauherr ein, es handele sich bei den geltend gemachten Schäden um solche, die aus Baumängeln resultierten, sodass gem. § 634a Abs. 1 BGB eine fünfjährige Verjährungsfrist gelte. Da eine Abnahme des Bauwerks nicht erfolgt sei, habe die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen. 

Entgegen einer Entscheidung des OLG Hamm (NJW 2019, 3240) stellte das Landgericht fest, der werkvertragliche Erfüllungsanspruch könne vor dem nach der Abnahme bestehenden Nacherfüllungsanspruch verjähren. Da eine Abnahme des Bauwerks nicht erfolgt sei und auch keine Abnahmesurrogate vorlägen, stehen dem Bauunternehmer nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht nur die bezüglich des Erfüllungsanspruchs aus §§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1 BGB bestehenden Rechte zu. Es sei nicht ersichtlich, warum dem Bauunternehmer für Mängelansprüche vor der Abnahme eine längere Verjährungsfrist als die gem. §§ 195, 199 BGB geltende dreijährige Regelverjährung einzuräumen sei. Im Sinne des Gläubigerschutzes trage die fünfjährige Verjährungsfrist unter anderem dem Umstand Rechnung, dass der Bauunternehmer bestimmte Mängel erst nach längerer Zeit erkennen könne. Auch die Regelverjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB beginne erst mit Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, sodass der Bauunternehmer die Möglichkeit habe, rechtzeitig etwaige Mängel geltend zu machen oder Maßnahmen zur Verjährungshemmung (vgl. §§ 203 ff. BGB) zu ergreifen. Der Bauunternehmer habe sich bereits während der Arbeiten des Bauherrn im Jahre 2008 auf Baumängel berufen und fällige Abschlagszahlungen eingestellt. Die Verjährungsfrist habe somit mit Ende des Jahres 2008 zu laufen begonnen. Auch unter Berücksichtigung eines etwaigen Verjährungsneubeginns gem. § 212 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 4 BGB und der Verjährungshemmung gem. § 209 BGB sei die Verjährung jedenfalls am 01.07.2012 eingetreten, sodass bereits der im Jahre 2013 erklärte Rücktritt des Bauunternehmers unwirksam sei.  

Hinsichtlich einer infrage kommenden Vertragsstrafe stellte das Landgericht fest, Akzessorietät im Verhältnis zu der Hauptverbindlichkeit bestehe allenfalls in eingeschränkter Form bis zur Verwirkung der Strafe. Ein Gleichauf der Verjährungsfristen von Hauptverbindlichkeit und Vertragsstrafe scheide somit aus. 

Verjährungsproblematik aus Sicht des OLG Rostock und des BGH

Das Berufungsgericht wies die Klage des Bauunternehmers insgesamt ab (OLG Rostock (Urt. v. 02.02.2021 – 4 U 70/19). Auch der BGH (Urteil vom 19.05.2022 – VII ZR 149/21) bestätigte die Auffassung des Landgerichts, die gem. §§ 195, 199 BGB geltende Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2008 zu laufen begonnen. Dies gelte auch hinsichtlich nachträglich eingetretener Schäden, mit denen nach dem Grundsatz der Schadenseinheit bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Dem Geschädigten sei es in aller Regel zuzumuten, sich schon aufgrund der Kenntnis der haftungsbegründenden (Erst-)Schädigung durch eine Feststellungsklage bezüglich aller weiteren Schadensfolgen gegen Verjährung zu sichern. Auch sei der Auffassung zuzustimmen, die Verjährung des Anspruchs auf die Vertragsstrafe gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB habe spätestens mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen und sei am 31. Dezember 2012 abgelaufen. Durch Erhebung der Klage im Jahr 2017 sei es nicht mehr zu einer Verjährungshemmung gekommen. Abschließend stellte der BGH fest, der Anspruch auf die Vertragsstrafe könne verjähren, bevor sich der Erfüllungs- in einen Nacherfüllungsanspruch umwandele. Die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs sei für die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe ohne Bedeutung. 

Fazit

In der anwaltlichen Praxis im Baurecht ist es immer wichtig, genau zu prüfen, ob bereits die (Gefahr der) Verjährung des ins Auge gefassten Anspruchs des Mandanten besteht. Gerade dann, wenn die Parteien den Bauvertrag einige Jahre zuvor geschlossen haben und das Bauvorhaben noch nicht abnahmefähig hergestellt ist, muss man angesichts der oben dargestellten Rechtsprechung genau hinschauen, ob bereits Verjährung hinsichtlich des Erfüllungsanspruches eingetreten ist.

Ich berate und vertrete Sie gern bei Fragen rund um Verjährung, Bauvertrag, Mängelansprüche etc.

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler

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