Die Abnahme bzw. der Abnahmetermin von Werkleistungen ist im Baurecht ein enorm wichtiger Zeitpunkt. Sie ist Dreh- und Angelpunkt des Werkvertrages. Mit der Abnahme des Werkes treten etliche Rechtsfolgen ein. Zentrale Bedeutung erlangt die Abnahme deshalb, da sie die Fälligkeit des Werklohnes bestimmt und damit nicht selten über Erfolg oder Misserfolg einer Werklohnklage entscheiden. Weitere wichtige Rechtsfolgen ist der Beginn der Verjährung für Gewährleistungsansprüche und der Übergang der Beweislast für das Vorliegen von Mängeln auf den Auftraggeber/Besteller. Die Abnahme hat insofern eine starke Zäsurwirkung, indem sie die Herstellungsphase (bis zum Abnahmetermin) von der Gewährleistungsphase (nach dem Abnahmetermin) trennt und ist insofern der Schlüssel, um Gewährleistungsrechte wegen Mängeln durchzusetzen.
Näheres zur Abnahme
Die Abnahme ist eine vertragliche Hauptpflicht des Auftraggebers. Definiert wird sie als körperliche Entgegennahme der Werkes verbunden mit der Anerkennung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht erbrachte Leistung. Die Abnahme setzt insofern voraus, dass die Bauleistung im Wesentlichen (bis auf geringfügige, also unwesentliche Mängel) erbracht ist. Bei der Abgrenzung zwischen wesentlichem und unwesentlichem Mangel geht die Rechtsprechung insbesondere von folgenden Kriterien aus: Höhe der Mangelbeseitigungskosten, Auswirkung des Mangels auf Funktionsfähigkeit des gesamten Werkes und Maß der Beeinträchtigung. Eine Vielzahl von unwesentlichen Mängeln kann im Einzelfall einem wesentlichen Mangel gleichstehen.
Die Wirkung der Abnahme tritt auch ein, wenn sie vorbehaltlich der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel erklärt wird. Besteht nach Ansicht des Bauherrn ein wesentlicher Mangel, so ist es ratsam, die Abnahme vollständig zu verweigern. Denn eine einmal erklärte Abnahme würde unweigerlich zu den oben genannten Rechtsfolgen führen. Im Streitfall muss der Unternehmer darlegen und beweisen, dass der oder die Mängel unwesentlich sind. Wird die Abnahme zu recht verweigert, wird die Vergütung auch nicht fällig.
Arten der Abnahme
Eine Abnahme der Werkleistung und damit die Anerkennung als vertragsgerecht kann in verschiedener Weise erfolgen. Es gibt zum Einen die ausdrücklich erklärte Abnahme sowie die förmliche Abnahme. Außerdem kann ein Werk durch schlüssiges Verhalten (z. B. Ingebrauchnahme, Bezug des Hauses) abgenommen werden. Ferner sieht das Gesetz eine sog. fiktive Abnahme vor, wenn der Bauherr eine vom Unternehmer gesetzte Frist zur Abnahme verweigert, obwohl er zur Abnahme verpflichtet ist.
Sachverständiger beim Abnahmetermin
Gerade bei größeren Bauvorhaben ist es oftmals ratsam, einen Sachverständigen zum Abnahmetermin mit hinzuzuziehen. Der Sachverständige begleitet den Abnahmetermin und stellte mit seiner Fachkunde Mängel besser und eher fest.
Grundsätzlich trägt der Bauherr die Kosten einer Abnahme, also auch die Kosten eines Sachverständigen. Stellt sich allerdings bei der Abnahme heraus, dass der Bauunternehmer bzw. Auftragnehmer sein Werk mit wesentlichen Mängeln hergestellt hat und die Leistung insofern nicht abnahmereif ist, so kann der Bauherr die Kosten des Sachverständigen wegen vertraglicher Pflichtverletzung vom Bauunternehmer verlangen.
Mangelbegriff steht im Mittelpunkt der meisten Bauprozesse
Im Baurecht bzw. Werkvertragsrecht hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber seine Leistung frei von Sachmängeln zu verschaffen. Leider sind Baumängel im Bauvertragsrecht eine wohl nicht vermeidbare Begleiterscheinung des Baugeschehens. Auf etlichen Baustellen gehören Baumängel zu Tagesordnung. Insbesondere in der heutigen Zeit der niedrigen Zinsen und des damit einhergehenden Bau-Booms. Bauunternehmer und Handwerker sind mittlerweile an der Belastungsgrenze angelangt und es ist nicht ungewöhnlich, dass Bauherren inzwischen mehrere Wochen oder Monate auf die Ausführung warten müssen. Handwerker wie Fliesenleger, Elektroniker, Heizungs- und Sanitärinstallateure, Dachdecker, Maler, etc. befinden sich aufgrund der Vielzahl an Aufträgen am Rande ihrer Belastbarkeit. Dies hat oftmals zur Folge, dass aufgrund des Zeitmangels nicht mehr mit der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet wird. Dies ist zunehmend der Grund für das Entstehen von Mängeln auf Deutschlands Baustellen. Angeblich sollen auf jeder Baustelle täglich durchschnittlich etwa 20 Baumängel entdeckt werden.
Die Beteiligten streiten dann oftmals um die Frage, ob der gerügte Fehler tatsächlich ein Mangel im Sinne des Gesetzes ist oder eher eine unbeachtliche Unannehmlichkeit. Können sich Auftraggeber und Auftragnehmer diesbezüglich außergerichtlich nicht einigen, wird die Frage, ob ein Mangel besteht oder nicht, vielmals vor Gericht geklärt.
Mangelbeseitigung und andere Möglichkeiten bei Mängeln am Bau
Werden Mängel vom Auftraggeber gerügt, so stellt sich diesem oft die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten ihm nun zur Seite stehen. Zu allererst ist hier der Anspruch auf Mangelbeseitigung zu nennen. Stellt der Auftragnehmer ein Werk mangelhaft her, so ist dieser verpflichtet, den oder die Mangel – auf seine Kosten – zu beseitigen und das Werk mangelfrei herzustellen. Das gilt – auch im VOB-Vertrag – bei optischen Mängeln. Vor der Abnahme muss der Bauunternehmer beweisen, dass das Werk mangelfrei hergestellt wurde. Insofern sollten Bauherren streng darauf achten, dass sämtliche festgestellte Mängel im Abnahmeprotokoll konkret dokumentiert werden. Ferner sollte sich der Bauherr die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten ausdrücklich im Abnahmeprotokoll vorbehalten. Tut er dies nicht, läuft er in Gefahr, sämtliche Gewährleistungsrechte bezüglich dieser Mängel zu verlieren.
Mängelrechte nach Abnahme
Wie eingangs des Beitrages bereits erläutert, stellt die Abnahme eine Zäsur im Baurecht dar, auf die großer Wert gelegt werden sollte. Werden Mängel im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt, so ist es dann Sache des Auftraggebers bzw. Bauherrn zu beweisen, dass die nicht aufgeführten Mängel bereits vor Abnahme vorgelegen haben. Erst nach erfolgter Abnahme stehen grundsätzlich dem Auftraggeber die im Gesetz aufgeführten Mängelrechte zu: Minderung, Selbstvornahme, Rücktritt, Schadensersatz.
In seltenen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen ist es nach neuester Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nunmehr auch möglich, dass der Auftraggeber Mängelrechte wie Selbstvornahme, Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz ausnahmsweise vor bzw. ohne Abnahme geltend macht.
Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln
Wird dem Auftraggeber die Schlussrechnung zugesandt und kann dieser die Beseitigung von mindestens einem Mangel verlangen, so kann er die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern. Dieses Leistungsverweigerungsrecht besteht in Höhe des Doppelten der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten. Der Auftraggeber kann also (grob) abschätzen, wie hoch die Mangelbeseitungskosten sein werden und kann den doppelten Betrag zurückhalten, bis das Werk mangelfrei hergestellt wurde.
Fazit
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass der Auftraggeber eine Menge von Möglichkeiten hat, sich gegen Mängel zu wehren. Dies sollte nicht ungenutzt bleiben und es ist anzuraten, sich frühzeitig mit einem Anwalt für Baurecht in Verbindung zu setzen. Dieser wird dem betroffenen Mandant die entsprechend möglichen Wege aufzeigen und ihn umfassend und zielführend vertreten.
Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler