noch unentgeltliche Akquise oder schon entgeltlicher Architektenvertrag?

von | 26. April 2018 | Architektenrecht

Die Abgrenzung zwischen bloßer – kostenloser – Akquise des Architekten und der Erteilung eines verbindlichen, entgeltlichen Auftrags eines Bauwilligen ist mitunter schwierig. Hier spielen einige rechtliche Feinheiten des Architektenrechts eine Rolle, die ich Ihnen in gebotener Kürze näher vorstellen möchte. Insbesondere kann es für den Bauherrn erhebliche Honorarforderungen nach sich ziehen, wenn der Architekt plötzlich behauptet, es liegt keine Akquise mehr vor, sondern es liegt bereits ein wirksamer Architektenvertrag vor.

Die Praxis zeigt, dass der Architekt zunächst immer von „unverbindlich“ oder „auf eigenes Risiko“ spricht. Der Bauherr fällt dann einige Wochen später aus allen Wolken, wenn er die Honorarrechnung des Architekten erhält. Architekten versuchen Bauherren zumeist damit „zu locken“, dass die ersten kleineren Tätigkeiten bzw. Planungen nur „unverbindlich“ seien. Sobald der Architekt aber merkt, dass ein verbindlicher Vertrag vorliegt und er sein Honorar auf Grundlage der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure)  abrechnen kann, wird er dieses Honorar auch umgehend einfordern.

Grundsätze zur Akquisitionsphase

Handelt es sich bei der Tätigkeit des Architekten noch um die Akquise, so hat dies keinen Honoraranspruch zur Folge. Insbesondere  vor dem Hintergrund des freien Wettbewerbs gehen Architekten in gewisse Vorleistung, um den Bauwilligen von der Qualität ihrer Leistung zu überzeugen. Der Architekt erbringt also gewisse Leistungen, obgleich ihm bewusst ist, dass noch kein Vertrag zustande gekommen ist und er daher auch noch keinen Honoraranspruch hat. Deshalb hat der Architekt das Interesse, dass die Akquisitionsphase möglichst kurz ist. Demgegenüber hat der Bauherr das Interesse, dass diese Phase möglichst lang ist. Dies deshalb, um möglichst lange in den Genuss von unentgeltlichen Leistungen des Architekten zu gelangen.

Dabei muss berücksichtigt werden, dass nach der Rechtsprechung nur geringfügige Arbeiten des Architekten unentgeltlich sind. Als nicht geringfügig sieht man an: Bestandszeichnungen, Vorplanungsleistungen, Baukostenermittlung und Wirtschaftlichkeitsabrechnung. Ebenfalls als nicht geringfügig sieht die Rechtsprechung an, wenn drei umfangreiche Entwurfspläne erstellt werden oder die Leistungsphasen 1 bis 2 oder 3 vom Architekten durchgeführt werden sollen. Das bedeutet: wenn der Architekt über das Stadium der Vorplanung hinaus tätig werden soll, wurde zumindest ein entgeltlicher Planungsauftrag erteilt. Dieser zieht einen Honoraranspruch nach sich.

Kein Vertrag ohne Rechtsbindungswille

Als Grundregel gilt, dass dann kein Architektenvertrag zustande kommt, wenn es bei den Beteiligten am sog. Rechtsbindungswillen fehlt. Der Begriff des Rechtsbindungswillens  besagt, dass zur bloßen Willensäußerung noch ein gewisses Etwas hinzutreten muss, damit eine Willenserklärung im Rechtssinne vorliegt. Eine solche verbindliche Willenserklärung muss auf Herbeiführung einer konkreten Rechtsfolge gerichtet sein. Das ist Voraussetzung für einen wirksamen Vertragsschluss. Folglich spricht die reine Tätigkeit des Architekten noch nicht für einen Bindungswillen der Vertragsparteien.

Eine Willenserklärung bzw. Beauftragung muss nicht immer schriftlich erfolgen. Dies kann auch mündlich geschehen. Allerdings ist zu beachten, dass bei mündlichen Vereinbarungen nicht die Mindestsätze der HOAI unterschritten werden dürfen.

Architektenvertrag kann durch schlüssiges Verhalten der Parteien entstehen

Nicht immer wird vor einer Beauftragung offen und direkt darüber geredet, ob und womit der Architekt beauftragt wird. Bei der Frage der Wirksamkeit eines Architektenvertrages muss daher immer geprüft werden, ob nicht ein  Vertragsschluss durch entsprechend schlüssiges Verhalten des Bauwilligen vorliegt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er die vom Architekten überlassenen Entwürfe bzw. Pläne verwendet oder verwertet. Eine Verwendung liegt beispielsweise vor, wenn er erstellte Pläne an das Bauamt als Bauvoranfrage schickt. Indem der Auftraggeber die vom Architekten – eigentlich noch in der unentgeltlichen Akquisephase erstellen – Pläne verwendet, signalisiert er, dass er sich an diese Leistung des Architekten rechtlich binden will (Rechtsbindungswille).  Dadurch kommt dann nach dem Vorstehenden ein Architektenvertrag zustande.

Weitere Beispiele für einen schlüssigen Vertragsschluss eines Architektenvertrages:

Auch eine Unterschrift auf Plänen zum Baugesuch, eine schriftliche Vollmachtserteilung (zur Korrespondenz mit Behörden, Nachbarn oder Handwerkern), die Zahlung von Abschlagsrechnungen oder (nicht unerhebliche) Änderungswünsche führen u.U. zu einem schlüssigen Vertragsschluss.

Außerdem können die Bitte des Bauherren „unverbindlich“ Skizzen für ein Bauvorhaben zu fertigen, einen schlüssigen Vertragsschluss begründen. Denn eine solche Bitte bedeutet nicht etwa, dass die Skizzen kostenlos erstellt werden sollen, sondern dass mehr als eine Skizze erstellt werden soll.

Ferner kann die Bitte zur Erstellung einer „groben“ Kostenschätzung oder Entwicklung eines „Planungskonzeptes“  einen Vertragsschluss darstellen.

Die Floskel „unverbindliche  Vorarbeiten“

In diesem Zusammenhang ist noch auf die erfahrungsgemäß häufig verwandte Floskel „unverbindliche Vorarbeiten“ einzugehen. Die meisten Auftraggeber verbinden mit diesem Begriff, dass die vom Architekten erbrachten Leistungen kostenlos sind. Das trifft jedoch nur dann zu, wenn es sich dabei um Architektenleistungen gehandelt hat, die nur einen minimalen, unerheblichen Aufwand erzeugen. Das kann im Einzelfall beispielsweise vorkommen, wenn der Architekt einen Gedankengang oder eine Idee in wenigen Minuten per Hand skizziert hat. In den meisten Fällen können Architekten jedoch auch für „unverbindliche Vorarbeiten“ ein Honorar erwarten. Insbesondere dann, wenn es mehrere Leistungen sind oder die Leistung nicht unerheblichen Umfang hat. Mit „unverbindlich“ ist dabei lediglich gemeint, dass sich der Bauherr nicht verpflichtet hat, auch weitere Leistungen an den Architekten zu vergeben.

Über ein Jahr andauernde intensive Planungsleistungen des Architekten können ein Indiz dafür sein, dass keine Akquiseleistung vorliegt (OLG Celle, Urteil vom 26.01.2022 – 14 U 116/21). Die Leistungen gehen über den Umfang von Akquise und Gefälligkeit hinaus. Bereits die zeitliche Dauer von einem Jahr lässt keinen Rau für die Annahme, der Architekt habe sich für so einen langen Zeitraum vergütungsfrei bereiterklärt, die Planung voranzutreiben.

Ohne Architektenvertrag besteht kein Anspruch auf Honorar

Nur dann, wenn ein wirksamer Vertrag über bestimmte Architektenleistungen vorliegt, besteht auch ein Anspruch auf Honorar. Daher ist in diesem Zusammenhang genau zu prüfen, ob ein – entgeltlicher – Vertrag vorliegt. Gegen einen entgeltlichen Auftrag sprechen Abreden wie die, dass der Architekt zunächst „auf eigenes Risiko“ und „im eigenen Interesse“ tätig ist.  Selbst die Entgegennahme und Verwertung von Planungsleistungen führen jedenfalls dann nicht zum Abschluss eines Architektenvertrags, ist also noch kein ausreichendes schlüssiges Verhalten, wenn der Planer zunächst – ausdrücklich – ausschließlich im eigenen Interesse tätig wird und der Bauwillige zu erkennen gibt, dass er sich nicht vertraglich binden wolle. Fehlt es jedoch an einem wirksamen Architektenvertrag, besteht denklogisch auch kein Anspruch auf Architektenhonorar.

Sofern ein Vertragsschlus angenommen wird, muss geprüft werden, welche Leistungen konkret beauftragt wurden. Eine Vermutung für die Beauftragung einer Vollarchitektur existiert nicht. Die Beweislast für den Vertragsschluss und den Leistungsumfang trägt der Architekt.

Nur Aufwandspauschale, wenn keine Aufklärung über Honorar erfolgt

Selbst wenn es dem Architekten gelingen sollte, das Gericht vom Zustandekommen eines Architektenvertrags zu überzeugen, kann der geltend gemachte Honoraranspruch auch dann auf eine Aufwandspauschale beschränkt sein, wenn der Architekt über das Honorar zuvor nicht aufgeklärt hat. Zwar ist ein Architekt nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, von sich aus auf die Höhe der durch seine Inanspruchnahme entstehenden Kosten hinzuweisen. Eine Aufklärungspflicht besteht allerdings dann, wenn die Bauherren Laien auf diesem Gebiet sind und erkennbar falsche Vorstellungen von der Höhe des Honorars haben.

So kann sich eine falsche Vorstellung insbesondere aus einer vereinbarten Aufwandspauschale ergeben, wenn der Auftraggeber davon ausgeht, nicht mehr zahlen zu müssen, als den vereinbarten Betrag. Es müsste mithin in jedem Falle eine Aufklärung über die sich aus der HOAI ergebenen Honorarhöhe stattfinden. Diese sollte vom Architekten zudem gut dokumentiert werden. Denn im Falle der fehlenden Aufklärung über die sich unter Zugrundelegung der HOAI ergebende Honorarhöhe kann man dem weitergehenden Honoraranspruch einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss entgegen halten. Dieser Schadensersatzanspruch berechtigt den nicht aufgeklärten Auftraggeber jedenfalls, dem weitergehenden Vergütungsanspruch den rechtsvernichtenden Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegenzusetzen oder u.U. die Aufrechnung zu erklären.

Fazit

Bei der Frage, ob die Leistung eines Architekten noch kostenlose Akquise oder schon entgeltliche Vertrag ist, sind stets die Einzelumstände von wesentlicher Bedeutung. Denn die Schwelle zwischen Akquise und Vertrag sind oftmals nicht oder nur schwer objektiv festzumachen. Entscheidend ist hier, wie aus der warte des Bauherren das Handeln des Architekten nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu verstehen ist, also ob hieraus auf einen Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann. In diesem Kontext sind insbesondere die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit, das erkennbare Interesse des Begünstigten und die vom Architekten erkennbare Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung geraten kann, als Indizien anzuführen, die auf einen Rechtsbindungswillen schließen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v. 05.06.2018 – I-21 U 108/17).

Die seit 2018 im Gesetz vorgesehene sog. Zielfindungsphase nach § 650p Abs. 2 BGB kann die strittigen Akquisefälle auch nicht verhindern. Dies deshalb, weil die Zielfindungsphase einen Vertragsschluss voraussetzt, der in Akquisefällen aber eben gerade strittig ist.

Bauherren sind gut beraten, sich vor Kontaktaufnahme mit einem Architekten rechtlich beraten zu lassen, inwieweit die Beauftragung kleinerer Vorleistungen bereits einen Honoraranspruch des Architekten begründet. Der obige Beitrag zeigt auf, dass die Frage, ob noch unentgeltliche Akquise oder schon ein entgeltlicher Architetenvertrag vorliegt, immer einzelfallabhängig ist. Deshalb sollte man in diesem Zusammenhang auf die Expertise eines Anwaltes für Bau- und Architektenrecht zurückgreifen.

Bei Fragen rund um das Architektenrecht bzw. den Architektenvertrag berate ich Sie gern. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie hier.

Ihr Rechtsanwalt Markus Erler

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Ihr Fachanwalt für Bau- und Architecktenrecht