Das Thema Vertragsstrafe ist im Baurecht und Vertragsrecht nicht wegzudenken. Denn die Einhaltung der zeitlichen Vorgaben spielt für den wirtschaftlichen Erfolg einer Baumaßnahme eine wesentliche Rolle. Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist ein weit verbreitetes Mitte zur Terminsicherung. Aus diesem Grund versuchen es Auftraggeber daher oft, wichtige Termine mit Vertragsstrafen zu belegen.
Die Vereinbarung einer solchen sog. Pönale verfolgt dabei zwei Ziele: Einerseits wird auf den Auftragnehmer zusätzlicher Druck aufgebaut, die versprochene Bauleistung tatsächlich auch in der vereinbarten Zeit zu erbringen. Andererseits muss der Auftragnehmer im Falle der Verwirkung der Vertragsstrafe (Terminüberschreitung) keinen konkreten Schadensnachweis führen, wie er es müsste, wenn er „nur“ Anspruch auf Schadenersatz hätte.
In meiner praktischen Arbeit als Anwalt für Baurecht sehe ich häufig unwirksame Vereinbarungen einer Vertragsstrafe. Dies sowohl im Bauvertrag, im Verbraucherbauvertrag oder im Bauträgervertrag. Der Auftraggeber vertraut bei Vereinbarung einer Vertragsstrafe darauf, dass er bei Überschreitung des vereinbarten Termins auch Anspruch auf Vertragsstrafe hat. Er wird jedoch aufgrund der Unwirksamkeit der im Vertrag befindlichen Klausel dann zumeist enttäuscht sein. Um eine Vertragsstrafe wirksam zu vereinbaren, damit sie dann auch geltend gemacht werden kann, muss man allerdings einige rechtliche Dinge beachten. Dies möchte ich Ihnen im Folgenden näher darstellen.
Ausgangspunkt: Allgemeine Geschäftsbedingung
Im Regelfall stellt eine Vertragsstrafe eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) des Auftraggebers dar. Dies aber nur dann, wenn der Auftraggeber den Vertrag stellt. Die Klausel unterliegt dann der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB und ist unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Unangemessen können sowohl der Tagessatz (bzw. Wochensatz) als auch die Gesamthöhe der Ponäle sein. Soweit das der Fall ist, gilt – anstelle der unwirksamen Klausel – das Gesetz, also das BGB. Die unwirksame Klausel wird insbesondere nicht etwa auf den gerade noch wirksamen Kern reduziert (sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion). Da das Bauvertragsrecht im BGB keine Vertragsstrafe vorsieht, führt die Unwirksamkeit dazu, dass das vermeintliche Druckmittel und die Erleichterung bei der Geltendmachung von Schadenersatz nicht besteht. Folgende Aspekte sind deshalb zwingend zu beachten:
Absolute Obergrenze der Vertragsstrafe
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) steht eine Vertragsstrafe, die mehr als 5 % der Auftragssumme beträgt, nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohnanspruch des Auftragnehmers (BGH, Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR 210/01). Sieht der Auftraggeber neben der Vertragsstrafe für die Fristüberschreitung weitere Vertragsstrafen wegen Vertragsverstößen vor (z.B. wegen unzulässigen Nachunternehmereinsatz, Verstoßes gegen Tariftreueerklärungen, verspäteter Rechnungslegung) ist darauf zu achten, dass auch die Kumulation der verschiedenen Vertragsstrafen die Obergrenze von 5 % der Auftragssumme einhält. Das ist in einer Vielzahl von Bauverträgen (auch und gerade der öffentlichen Hand) nicht der Fall. Die Klausel ist dann – sofern nicht teilbar – insgesamt wegen Verstoß gegen das Kumulationsverbot unwirksam.
Relative Obergrenze in Abhängigkeit von der Dauer des Verzugs
Die Vertragsstrafe wegen Terminüberschreitungen muss ferner in einer angemessenen Relation zur Dauer des Verzugs stehen. Einen Tagessatz von 0,3 % der Auftragssumme pro Arbeitstag (BGH, Urteil vom 18.01.2001 – VII ZR 238/00) bzw. pro Werktag (BGH, Urteil vom 06.12.2007 – VII ZR 28/07) bezeichnet die Rechtsprechung als noch angemessen. Dagegen beurteilten die Richter einen Tagessatz von 0,5 % der Auftragssumme unabhängig von der Höhe der Gesamtobergrenze als zu hoch (BGH, Urteil vom 17.01.2002 – VII ZR 198/00).
Zwischentermine und Vertragsstrafe
Auch bzw. insbesondere die Einhaltung von Zwischenterminen kann für den Auftraggeber von wesentlicher Bedeutung für den Bauablauf sein. Es gibt Bauvorhaben, in denen Zwischenterminen u.U. sogar ein wesentlicheres Gewicht beikommt als dem Endtermin. Will der Auftraggeber die Vertragsstrafe an die Überschreitung mehrerer Fristen (Zwischenfristen und Fertigstellungstermin) anknüpfen, kann dies dazu führen, dass ein an sich ausreichend niedriger Tagessatz infolge einer Kumulation zu einem unangemessen hohen Tagessatz wandelt. In diesem Fall wäre die Vertragsstrafenklausel unwirksam.
Der BGH sieht hier ein angemessenes Gleichgewicht der Interessen nur gewahrt, wenn der Auftraggeber nicht anders steht, als hätte er den Auftragnehmer allein mit Leistungen bis zum Zwischentermin beauftragt. In diesem Fall wäre der Zwischentermin ein Endtermin. Dies führt dazu, dass die prozentualen Höchstsätze einer Vertragsstrafe sich an dem Wert der Leistungen, die bis zu dem jeweiligen Zwischentermin zu erbringen sind, orientieren müssten.
Zudem ist zu beachten, dass eine geringfügige Fristüberschreitung des ersten Termins nicht dazu führen darf, dass auch nachfolgende Zwischentermine überschritten werden und dadurch wegen ein und derselben schuldhaften Verzögerung mehrere Vertragsstrafen auf alle weiteren Zwischentermine anfallen. Beispiel: Wird die erste Zwischenfrist um 8 Tage überschritten und arbeitet der Auftragnehmer dann in der vom Bauplan vorgegeben Geschwindigkeit weiter, kann es passieren, dass auch Zwischenfrist zwei, drei und vier und jeweils 8 Tage überschritten wird. Aus einer einmaligen Überschreitung von 8 Tagen werden dann letztlich 32 Tage, die letztlich zur Überschreitung der Gesamtobergrenze führen. Dies macht die Klausel unwirksam. Diese Kumulation der Einzelvertragsstrafen auf die Zwischentermine muss man folglich bei der Formulierung ausschließen.
Ist die Vertragsstrafenklausel in Bezug auf Zwischentermine unwirksam, führt das häufig dazu, dass auch die Vertragsstrafe auf den Endtermin unwirksam ist. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn sich die Regelungen im Vertrag nicht trennen lassen (BGH, Beschluss v. 27.11.2013 – ZR 371/12).
Bestimmung der Bezugsgröße
Aufgrund des in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB niedergelegten Transparenzgebotes muss die Bezugsgröße der Höhe der Vertragsstrafe für den Vertragspartner klar und durchschaubar sein. Der Vertragspartner muss die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen hinreichend deutlich erkennen können. Das Tranzparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Werden im Vertrag mehrere Bezugsgrößen (Auftragssumme, Schlussrechnungssumme, Vertragssumme, Bruttoabrechnungssumme) benannt, kann dies dazu führen, dass es mehrere Deutungsmöglichkeiten der Klausel gibt. Diese Mehrdeutigkeit führt dazu, dass die Klausel zu unbestimmt und damit unwirksam ist.
Davon gingen die Richter des BGH in einem Fall aus, in dem sich die Vertragsstrafe pro Zeiteinheit nach der „Auftragssumme“ bemessen sollte, wohingegen in der Klausel eine weitere Bezugsgröße, nämlich die „Schlussrechnungssumme“ genannt wurde. Das lasse mehrere Deutungen zu, sodass die Klausel zu unbestimmt sei, entschied das Gericht (BGH, Urteil vom 06.12.2007 – VII ZR 28/07).
Verschulden
Nach der gesetzlichen Regelung ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Auftragnehmer in Verzug kommt, 339 BGB. Verzug setzt Verschulden des Auftragnehmers an der Fristüberschreitung voraus. Viele Vereinbarungen einer Vertragsstrafe versuchen die Verwirkung der Pönale vom Verzug und vom Verschulden des Auftragnehmers abzukoppeln. Diese Abweichung vom gesetzlichen Leitbild indiziert die Unwirksamkeit einer verschuldensunabhängigen Regelung.
Bei Einbezug der VOB/B ergibt sich das Verschuldenserfordernis aus § 11 Abs. 2 VOB/B, sodass man es nicht explizit in der Vertragsstrafenregelung erwähnen muss. Sofern sich aber aus den der VOB/B vorrangigen Vertragsbestandteilen etwas anderes ergibt, kann dies zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung führen. Die ist z.B. dann der Fall, wenn eine Klausel enthalten ist, dass die Frist sich auch witterungsbedingt nicht verlängert. Denn dann wäre die Vertragsstrafe in einem solchen Fall selbst dann verwirkt, wenn sich aufgrund von Behinderungen die Ausführungszeit in eine ungünstigere Jahreszeit verschiebt und dem Auftragnehmer dadurch unverschuldet weitere Erschwernisse in der Leistungserbringung entstehen oder wenn Witterungsverhältnisse eintreten, mit denen bei Abschluss des Bauvertrages normalerweise nicht gerechnet werden musste.
Entfall der Vertragsstrafe wegen Behinderung
Wie soeben schon dargestellt, gibt es etliche Tatbestände der Behinderung, die die Ausführungsfrist verlängern. Dies können Umstände aus dem Risikobereich des Auftraggebers oder aber Streik und höhere Gewalt sein. Aber auch Witterungseinflüsse, mit denen bei Abschluss des Vertrages nicht gerechnet werden musste, können eine Behinderung darstellen.
Beruht die Nichteinhaltung des Endtermins darauf, dass der Auftragnehmer wenige Tage vor dem vertraglich vereinbarten Endtermins einen Nachtrag beauftragt bekam, so ist für beide Parteien klar, dass die Nachtragsleistungen nicht innerhalb der ursprünglichen Frist erbracht werden können. Durch die Anordnung des Auftraggebers (Beauftragung Nachtrag) war der Auftragnehmer behindert.
Durch die durch Behinderungen verlängerte Ausführungsfrist kann es vorkommen, dass der Auftragnehmer zwar die Fertigstellungsfrist überschreitet. Jedoch fehlt es am Verschulden der Fristüberschreitung. Die Behinderung ist nicht zwingend anzuzeigen. Es genügt die objektive Behinderung. Diese führt dazu, dass es an einem Verschulden des Auftragnehmers fehlt, die Frist überschritten zu haben. Da sich dadurch der Fertigstellungszeitpunkt nach hinten verschiebt und kein vertraglich vereinbarter Zeitpunkt (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) mehr besteht, bedarf es zwingend einer Mahnung, um den Auftragnehmer in Verzug zu setzen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil v. 09.11.2018 – 4 U 49/16).
höherer Schaden
Natürlich ist der Auftraggeber nicht gehindert, einen über die Vertragsstrafe hinausgehenden Schaden geltend zu machen. Er muss sich jedoch die Vertragsstrafe anrechnen lassen. Die Anrechnung muss ausdrücklich und unmissverständlich im Vertrag geregelt sein. Ist sie das nicht, führt auch dieser Umstand zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafe (BGH, Urteil vom 29.02.1984 – VIII ZR 350/82).
Vorbehalt der Vertragsstrafe
Die Geltendmachung der Vertragsstrafe sollte sich der Auftraggeber zwingend bei der Abnahme vorbehalten. Erfolgt dieser Vorbehalt nicht, verliert der Auftraggeber seinen Anspruch. Einer solchen Vorbehaltserklärung bedarf es nur dann nicht, wenn der Auftraggeber vor der Abnahme die Aufrechnung mit der gesamten Vertragsstrafe erklärt hat (BGH, Urteil vom 05.11.2015 – VII ZR 43/15).
Vorbehalt der Vertragsstrafe bis zur Schlusszahlung
In AGB kann man das Erfordernis des Vorbehaltes weder – vollständig – ausschließen noch auf unbegrenzt lange Zeit nach der Abnahme hinausschieben. Als zulässig sieht man eine Vereinbarung an, wenn der Vorbehalt noch innerhalb der Prüffrist für die Schlussrechnung geltend zu machen ist. Der BGH hat in einer älteren Entscheidung noch die Vereinbarung des Vorbehalts bis zur Schlusszahlung ausreichen lassen (BGH, Urteil vom 23.01.2003 – VII ZR 201/01).
Fazit
Die Fülle der Rechtsprechung zu unwirksamen Klauseln einer Vertragsstrafe zeigt deutlich, dass es offensichtlich kompliziert ist, eine Vertragsstrafenregelung AGB-rechtlich sauber und wirksam zu vereinbaren. Letztlich ist der Auftraggeber besser beraten, wenn er nur die wirklich wichtigen Eckpfeiler des Vertrages über Vertragsstrafen absichert. Man sollte versuchen, dabei nicht die Grenzen, welche die Rechtsprechung bislang gesetzt hat, zu sehr auszureizen. Getreu dem Motto: eine (etwas) geringere Vertragsstrafe ist immer noch besser, als gar keine Vertragsstrafe. Es ist daher anzuraten, die Vertragsstrafe lediglich an die Fertigstellungsfrist, nicht jedoch auch an (mehrere) Zwischenfristen zu knüpfen.
Außerdem müssen sich Auftraggeber bewusst sein, dass sie Behinderungsanzeigen des Auftragnehmers geradezu provozieren, wenn sie knappe Fristen mit empfindlichen Vertragsstrafen belegen. Es sei abschließend daran erinnert, dass der Faktor Bauzeit auch für den Auftragnehmer von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, sodass dieser bereits ein eigenes Interesse daran hat, das Bauvorhaben in der vereinbarten Zeit zu errichten.
Sollte in Ihrem Bauvertrag oder Bauträgervertrag eine Vertragsstrafe enthalten sein, die Sie geprüft haben möchten oder haben Sie andere Fragen rund um die Vertragsstrafe, so stehe ich Ihnen als Anwalt für Baurecht gern zur Verfügung.
Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Baurecht Markus Erler
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