Auch Architekten müssen – insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten wie diesen – dafür sorgen, neue Aufträge zu finden und bereits gebundene Bauherren zu halten. Das führt immer mehr dazu, dass Architekten eine (unzulässige) Rechtsdienstleistung ausführen, die gar nicht von deren Leistungsumfang umfasst ist. Einmal wünscht der Bauherr die Vertretung im Widerspruchsverfahren gegenüber der Baubehörde und einmal die Beratung bezüglich der außerordentlichen Kündigung gegenüber dem Bauunternehmer. Und nicht selten haben die Architekten da bisher ein Auge zugedrückt, um den Bauherrn nicht zu verlieren.
Dieses stark risikobehaftete Vorgehen sollte der Architekt seit einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (Beschluss vom 07.05.2020, Az. 3 U 2182/19) überdenken. Es drohen nämlich nicht nur Schadenersatzklagen des Bauherrn, wenn die „Beratung“ nicht zum Ziel geführt hat. Es drohen auch Bußgelder wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
Architekt riet zur außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages
Was war passiert: Der Architekt beriet seinen Auftraggeber im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung des Einfamilienhauses. Der Bauherr beauftragte einen Bauunternehmer mit entpsrechenden Werkleistungen. Nach erfolglosen Gesprächen zur Festlegung des Leistungsumfanges und der Leistungszeit riet der Architekt seinem Auftraggeber, den Bauvertrag zu kündigen und formulierte ein Kündigungsschreiben vor. Der Bauherr befolgte den Rat des Architekten und kündigte mit dem vorformulierten Schreiben den Bauvertrag (aus wichtigem Grund). Der Bauunternehmer wertete die Kündigung als eine freie Kündigung und forderte vom Bauherren eine Vergütung der kündigungsbedingt nicht erbrachten Leistungen. Bauherr und Bauunternehmen einigten sich sodann außergerichtlich auf ca. 40 % der Forderung. Der Bauherr verklagte darauf hin den Architekten auf Schadenersatz vom Architekten mit dem Argument, er habe ihm falsche Rechtsberatung erteilt.
Entscheidung des OLG Koblenz vom 07.05.2020
Das OLG Koblenz bestätigte diesen Anspruch auf Schadensersatz. Der Ratschlag, den Bauvertrag zu kündigen, ist eine Rechtsdienstleistung i.S.d. § 2 RDG. Der Architekt hat diese Rechtsdienstleistung unerlaubt erbracht. Der Verstoß gegen das RDG führt zur Teilnichtigkeit des Architektenvertrages. Der Architekt haftet nach § 823 BGB.
Wann ist eine Leistung eine Rechtsdienstleistung?
Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Solche eine Rechtsdienstleistung darf nur von Personen erbracht werden, die hierzu gesetzlich ermächtigt sind. Architekten werden durch ihr Berufsrecht nicht ausdrücklich zur Rechtsdienstleistung ermächtigt.
Wann ist eine Leistung eines zulässige Nebenleistung i.S.d. § 5 RDG?
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Rechtsdienstleistung eines Architekten nach § 5 Abs. 1 RDG als Nebenleistung zulässig ist, ist zu Gunsten des Architekten ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dies deshalb, weil Architektenleistungen in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen haben. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass – jedenfalls in einigen Leistungsphasen nach HOAI – Rechtsdienstleistungskompetenzen des Architekten als Teil ihres vertraglichen Pflichtenprogramms angesehen werden. Aber auch § 5 RDG, wonach Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt sind, wenn sie als Nebenleistung zum Berufsbild oder Tätigkeitsbild gehören, greift nicht.
Auch unter Zugrundlegung dieses großzügigen Maßstabs liegt keine erlaubte Nebenleistung mehr vor, wenn der Architekt in Bezug auf die Geltendmachung konkreter Sekundärrechte im Außenverhältnis tätig wird. Die Prüfung und Beratung, ob eine außerordentliche Kündigung rechtssicher möglich und zweckmäßig ist, ist regelmäßig so komplex, dass dies den Angehörigen rechtsberatender Berufe vorbehalten ist.
Beispiele für unzulässige Rechtsberatung
Die Übersicht zeigt, in welchen Leistungsphasen die fachlich-technische Begleitung bei Rechtsfragen ansteht. Von den dort genannten Leistungen sollte der Architekt/Planer die Finger lassen, es wäre unzulässige Rechtsberatung:
- Lph 0:
- Beratung zur Rechtswirksamkeit von Vorgaben aus der Bauleitplanung
- Widerspruch gegen Vorgaben aus der Bauleitplanung
- Lph 2:
- Rechtliche Beratung bei Widerspruchsverfahren bzw. Einlegen des Widerspruchs sowie Führend des Widerspruchsverfahrens im Zuge der Stellung einer Bauvoranfrage (BGH, Urteil vom 11.02.2021 – I ZR 227/19)
- Lph 7:
- Beratung in Hinsicht auf vergaberechtliche Rechtsfragen (z. B. Berechtigung des Ausschlusses von Angeboten bei öffentlichen Ausschreibungen)
- Lph 8:
- Einbehalt von Vertragsstrafen gemäß Vertragsstrafenregelung im Bauvertrag
- Festlegung der Höhe des Druckzuschlags bei Einbehalten wegen mangelhafter Ausführung
- Vertragliche Sanktionen (Kündigungsandrohung und ggf. Vertragskündigung/Teilkündigung bei Verstoß gegen Vertragspflichten
Selbst bei erlaubter Rechtsdienstleistung droht die Haftung bei Falschberatung
Auch der zweite Leitsatz der Entscheidung des OLG Koblenz hat es in sich. Selbst wenn es sich bei der konkreten Beratung im Einzelfall um eine zulässige Rechtsdienstleistung handelt, befreit den Architekt das nicht von der Haftung. Stellt sich die Beratung im Nachhinein als fachlich und juristisch falsch heraus, liegt „eine vertragliche Haftung aus §§ 631, 280 BGB wegen Falschberatung nahe“.
Fazit
Die Kündigung eines Bauvertrages ist Sache des Rechtsanwalts – nicht des Architekten!
Die Tätigkeit der Architekten enthält in vielfacher Hinsicht Berührungen zu Rechtsdienstleistungen. Architekten sollten infolge der Entscheidung des OLG Koblenz jedoch für die Grenzziehung zur eigentlichen Rechtsdienstleistung sensibilisiert werden. Das Gericht stellt klar, dass zumindest die Geltendmachung konkreter Sekundärrechte bzw. etwaige Gestaltungsrechte, die die Haupttätigkeit des Architekten unberührt lassen, nicht in den Bereich der noch zulässigen Rechtsdienstleistung fallen. Ein Architekt ist „gut beraten“, die Bauherren an die dafür vorgesehene Rechtsberatung zu verweisen, um nicht selbst für eine Leistung haften zu müssen, die von ihrem originären Leistungsumfang überhaupt nicht erfasst (und für die er nicht bezahlt) wird.
Auch das Einlegen des Widerspruchs gegen die Ablehnung des Antrags auf Bauvorbescheid sowie das Führen des Widerspruchsverfahrens ist eine erlaubsnispflichtige Rechtsdienstleistung (BGH, Urteil vom 11.02.2021 – I ZR 227/19)
Ein Architekt sollte seinem Auftraggeber daher ab sofort ganz klar kommunizieren, dass er ihn nicht rechtlich beraten möchte. Er darf es schlicht und ergreifend nicht. Zum einen haftet der Architekt für Fehler seiner Rechtsberatung, zum anderen begehrt er eine Ordnungswidrigkeit. Erbringt ein Planer unzulässige Rechtsberatung, kann ihn die zuständige Rechtsanwaltskammer auch auf Unterlassung verklagen (OLG Koblenz, IBR 2020, 189).
Gefährlich für Auftraggeber und Architekt ist zudem, dass Leistungen außerhalb des Berufsbildes in der Berufshaftpflichtversicherung nicht gedeckt sind. Der Versicherungsschutz entfällt. Der Architekt haftet also persönlich.
Für Fragen im Architektenrecht zu den Themen Haftung des Architekten bei Rechtsdienstleistung berate und vertrete ich Sie gern.
Ihr Rechtsanwalt Erler
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